Ich blicke in das weiße Gesicht des Schnees. Mein Schatten, an Bäume geschlagen, gefriert. Stilles Stigma, ich weide dich auf den Feldern des Winters.
Schlagwort-Archive:Moderne Lyrik
Wachtraum später
Unter der Schneelast die Anklage der jungen Zweige. Sie fallen nach Süden, in die Sentimentalität der Eichhörnchen. In den Herbstverstecken goldene Nüsse deshalb. Ich halte Ausschau nach dem Honigmund. Aus ihm tropft weise Süße in die leeren, kalten Schalen. Aber an den Klippen immer noch Eis und Nachtflügel, die die Zukunft vertreiben. Der Boden ist„Wachtraum später“ weiterlesen
Patina metaphysisch
Ich schweige filigrane Muster in den Schnee. Aus meiner Seele rinnt weißes Blut in blasse Dörfer. An den Hängen gefrorene Märchen. Dunkle Tage kleben an unseren Fußsohlen. Jeder Schritt ein Schrei. Im Unterholz suche ich nach dem Echo meines Segens und finde zarte Lippen, die mich flüstern. Süße Bergung, süßer Beginn, gefaltetes Licht. Jeder Schritt„Patina metaphysisch“ weiterlesen
Wundwasser
Mein Ufer kippt in diesem Januar in die Nebelgestalt am Weg, eine zarte Skizze, die sich mit Winterweiden füllt. Aus dem geöffneten Himmel rinnt Blut über meine Hand. Mein Zweifel, eine Gazelle. Sie rennt durch meine Steppen. Ich gehe durch dein Glas, ganz vorsichtig, um die Schildkröten nicht zu wecken. Deine Zeit schneidet die Blüten„Wundwasser“ weiterlesen
An der Peripherie des Wartens
In meiner dunklen Kammer liegt ein Engel. Er breitet die Flügel über meinen Alptraum. Ich schlafe in Nachtmilch. Sie läuft über meine Haut. Von dort tropft sie in die Ritzen der Dielen. Sie ist wieder dunkel geworden nach dem Sonnenuntergang. Vor zwei Tagen noch war sie himmelblau. Sie ist fieberheiß und meine Beine sind taub.„An der Peripherie des Wartens“ weiterlesen
Corona Bahnhof
Auf dem Bahnsteig leere Spiegel, an denen die Tauben picken. Corona liegt aus. Verwischte Angst in den Farben des Mondes. Ein Mann geht im Kreis. Der Wind öffnet seine Schuhe. Er fliegt davon vor dem Gezeter in den Krankenhäusern. Eiston am Gleis, garstiges Pfeifen, das vordringt in kalte Steppen. Aus den Wolken fallen Särge. Sie„Corona Bahnhof“ weiterlesen
Die Weisheit der Goldfische
Ich träume dunkle Vögel in mein Spiegelbild und melke die Vergangenheit. Sie gibt trübe Milch, mit der ich meinen Schatten nähre. Hungrig wartet er im Hinterhof mit Katzenbuckel. Ich streichel ihm über den Rücken. Schwarzer Honig, in dem ich mit meinen Füßen stehe. Ich kann sie nicht bewegen. Ich klopfe gegen den Beton des nächsten„Die Weisheit der Goldfische“ weiterlesen
Motorgeräusche zerreißen die feinen …
Motorgeräusche zerreißen die feinen Muster der Stille. Ein schwarzer Vogel gleitet in Innenräume. Er fliegt auf die Geigen über dem Meer, die von der Zukunft reden, und irgendwann mich meinen, an einem der jüngeren Tage. Ich schließe mich den Chören an, die an den Klippen warten. Schnee fällt in ihre Gesänge und Sonnenlicht, in dem„Motorgeräusche zerreißen die feinen …“ weiterlesen
Die Stadt pflügt mich …
Die Stadt pflügt mich, die Passanten, die Straßenbahn mit ihren Querdenkern, die Sippen, die sich Amors Pfeile aus der Brust reißen. Meine Füße sind aus Ton. Ich bin aus Ton an diesem Morgen, an dem der Sand durch die Uhr rieselt bis zehn nach zwölf zu meiner Ankunft in der Bibliothek zwischen Hyazinthen und weisen„Die Stadt pflügt mich …“ weiterlesen
Herbstvision
Im roten Kreuz der Herbstnebel Hagebutten. Eicheltanz unter meinen Füßen. Rehe fliehen vor ihrer Zeit. Der Tod kommt in Silben mit den kühlen Regentropfen auf das gepflügte Feld. Ich sehe in die tiefe rostbraune Erde und ernte mit den Raben dunkle Milch. Kerstin Fischer